Zahnzusatzversicherung: Milchzähne mit 40

Es ist schon ungewöhnlich genug, dass ein Mensch im Alter von 40 Jahren noch Milchzähne hat. Medizinisch nennt sich dies generalisierte Nichtanlage oder Oligodontie. Aber trotzdem muss ein Kranken- oder Zahnzusatzversicherer die Kosten übernehmen, wenn ein solcher Milchzahn ersetzt werden muss. Dies gilt sogar dann, wenn die Oligodontie bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt war. Das hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek mit Urteil vom 2. Februar 2012 entschieden (Az.: 814 C 78/11).

Im Rahmen einer privaten Krankenversicherung sind nur Versicherungsfälle versichert, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten sind. Der Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person und wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund eine Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.

Die Klägerin, die seit ihrer Geburt an der Nichtanlage erkrankt war, hatte im Alter von fast 40 Jahren noch zahlreiche Milchzähne. Um zu überprüfen, ob ihre gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernehmen würde, erstellte ihr Zahnarzt im August 2008 einen fiktiven Heil- und Kostenplan unter der hypothetischen Annahme, dass alle zu diesem Zeitpunkt gesunden Milchzähne durch Implantate ersetzt werden müssten. Im Jahr 2009 schloss sie eine Zahnzusatzversicherung ab und beantwortete die gestellten Gesundheitsfragen vollständig und wahrheitsgemäß.

Als im Jahr 2010 einer dieser Milchzähne ersetzt werden musste, reichte die Klägerin die Behandlungsrechnung bei der Versicherung ein. Diese lehnte aber ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Versicherungsfall vor Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten sei; schließlich ergebe sich dies aus dem besagten Heil- und Kostenplan. Zudem habe die Krankheit (Oligodontie) bereits seit der Geburt bestanden, so dass auch dies vor Abschluss des Versicherungsvertrages läge.

Diese Ansicht hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek nicht überzeugt. Die Klägerin konnte ohne Zweifel belegen, dass der gegenständliche Milchzahn bei Abschluss des Versicherungsvertrages kerngesund war.

Das Amtsgericht urteilte, dass die Versicherung die Kosten der Zahnbehandlung übernehmen muss. Nach Ansicht des Gerichts war die seit der Geburt der Klägerin bestehende Krankheit Oligodontie nicht heilbar, so dass ihretwegen keine Heilbehandlung medizinisch notwendig oder möglich war. Eine medizinische Heilbehandlung wurde erst in dem Zeitpunkt notwendig, da der in Rede stehende Milchzahn nicht mehr erhaltungsfähig war.

Maßgeblich ist also nicht die Diagnose der Oligodontie als solcher, sondern vielmehr, wann die eigentliche Behandlungsbedürftigkeit entstanden ist. Dies gilt im Übrigen für vielerlei Anomalien, die für sich selbst nicht behandlungsbedürftig oder –fähig sind.

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