Korrespondenzpflicht der Versicherer bei Vermittlerwechsel

In der Praxis eines jeden Versicherungsmaklers stellt sich früher oder später das Problem, dass ein Versicherer dem Makler nach einem Vermittlerwechsel einhergehend mit der Erteilung einer entsprechenden Vollmacht nicht den Vertrag in Gänze übertragen will, so dass sich die berechtigte Frage aufwirft, ob der Versicherer nicht wenigstens zur Korrespondenz mit dem (neuen) Makler verpflichtet ist. Schließlich ist der Versicherungsmakler der treuhänderische Sachwalter des Kunden und diesem gegenüber umfangreich verpflichtet. Diese Verpflichtungen kann der Makler ersichtlich aber nur dann vollumfänglich erfüllen, wenn er stets und zeitnah sämtliche Informationen zu den jeweiligen Versicherungsverträgen vom Versicherer erhält.

Rechtsanwalt Jürgen Evers hat sich jüngst (VGA Nachrichten 1/2009, Seite 37 f.) mit der Frage beschäftigt, ob Versicherern nach einem Vermittlerwechsel stets eine Korrespondenzpflicht obliegt.

Zuzustimmen ist dem Kollegen zunächst dahingehend, dass bei einem vom Makler vermittelten Versicherungsvertrag der Versicherer zur Korrespondenz verpflichtet ist, wenn der Kunde einen neuen Makler beauftragt. Darüber hinausgehend ist der Versicherer in der Regel aber auch verpflichtet, den Vertrag auf den neuen Makler derart zu übertragen, dass dieser fortan die Bestandspflegecourtage aus dem Versicherungsvertrag erhält. Diese weitergehende Verpflichtung soll an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden.

Evers vertritt hierbei die Rechtsansicht, dass den Versicherer nach dem neuen VVG dann keine Korrespondenzpflicht trifft, wenn der ursprüngliche Versicherungsvertrag von einem Vertreter geschlossen wurde, nun aber der Kunde die Betreuung durch einen Makler wünscht. Diese Rechtsansicht überzeugt nicht!

Zwar erkennt er richtig, dass den Versicherer nach § 6 Abs. 4 VVG eine Beratungs- und Betreuungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer als Nebenabrede des Versicherungsvertrages trifft, wenn der Versicherungsvertrag ursprünglich von einem Vertreter vermittelt worden ist.

Falsch sind indes die Schlussfolgerungen hieraus, nämlich, dass den Versicherer in diesem Fall keine Korrespondenzpflicht mit dem neuen Makler träfe. Dies gilt ebenso für die Schlussfolgerung, dass der Versicherungsnehmer nicht in der Lage sei, die bei Vermittlung des Vertrages getroffene Nebenabrede einseitig abzuändern. Eine solche Möglichkeit hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 6 Abs. 4 S. 2 VVG vorgehalten. Hierauf wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.

Bezeichnenderweise ist es entgegen seiner dargelegten Rechtsansicht in der Branche durchaus üblich, dass ein einzelner Versicherungsvertrag, der ursprünglich von einem Vertreter vermittelt wurde, beim selben Versicherer von einem Vertreter zu einem anderen Vertreter (wenn auch zumeist gegen Leistung eines Ausgleichs) übertragen wird, wenn der Kunde fortan lieber von einem anderen, als dem ursprünglich vermittelten Vertreter betreut werden will. Darüber hinaus wäre entgegen der Rechtsansicht des Rechtsanwalts Evers nicht der Versicherer in der Position zu entscheiden, wer den jeweiligen Vertrag des Versicherungsnehmers betreut, sondern dies wäre einzig die Wahl des Kunden. In engen Grenzen, nämlich bei „eigenen“ Vertretern, erkennen die Versicherer also den Kundenwunsch an, wohingegen sie dies in anderen Konstellationen verweigern.

Der Wunsch des Kunden ist maßgeblich

Dass in dem Dreiecksverhältnis zwischen Versicherungsnehmer, Makler und Versicherer in aller Regel der Kundenwunsch maßgeblich ist, wurde bereits mehrfach von der obergerichtlichen Rechtssprechung bestätigt. So hat das Landgericht Hamburg in der sogenannten „Volksfürsorgeentscheidung“ vom 05.09.2005 (AZ: 415 O 53/05) ausgeführt:

„Der Versicherungsmakler kann nun in einem Vertragsverhältnis allein zum Versicherungsnehmer stehen, dessen treuhänderischer Sachwalter er ist. In diesen Fällen ist aber der Versicherer, so er denn die vermittelten Verträge abschließt, zur Zusammenarbeit mit dem Makler verpflichtet. (…) Es ist allein Sache der Versicherungsnehmer, zu entscheiden, ob sie ihre Verträge von einem Makler und ggf. von welchem Makler betreuen lassen wollen.“

In diesem Zusammenhang und insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Versicherungsmaklerbeständen hat sich das Gericht auch mit der von Versicherern häufig eingewandten Ansicht befasst, dass die Frage der Überlassung von Versicherungsbeständen Angelegenheit des Versicherers sei und dass der Versicherungsnehmer bloßes Objekt der zwischen Makler und Versicherer getroffenen Vereinbarung sei. Dieser Ansicht hat das Gericht ausdrücklich eine Absage erteilt, in dem es ausgeführt hat:

„Wünscht der Versicherer eine solche Gestaltung, so darf er sich allerdings keines Maklers bedienen, sondern muss einen Agenten einschalten, der nur ihm verantwortlich ist und nicht vorrangig dem Versicherungsnehmer.“

In die selbe Richtung geht auch das Urteil des OLG Koblenz vom 21.10.2003 (VersR 2004, 1555), indem es richtigerweise eine Korrespondenzpflicht bestätigt.

Das Gericht hat bestätigt, dass mit der Aufnahme der Vermittlertätigkeit eines Versicherungsmaklers für einen Versicherungsnehmer auch zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherer ein gesetzliches (vertragsähnliches) Schuldverhältnis entsteht, wenn der Versicherer die Tätigkeit des Maklers akzeptiert. Dies gilt gegenüber einem neuen Makler auch hinsichtlich der bereits bestehenden Versicherungsverträge, denn der Versicherer ist gegenüber seinem Versicherungsnehmer grundsätzlich verpflichtet, dessen Entscheidung zu respektieren, sich einen (neuen) treuhänderischen Sachwalter für seine Versicherungsangelegenheiten gesucht zu haben. Hieraus resultiert nach richtiger Ansicht des OLG Koblenz die Pflicht des Versicherers, mit dem neuen Makler wie mit dem ersten Vermittler einer Versicherung zusammenzuarbeiten, wenn nicht wichtige Gründe in der Person des Maklers eine Zusammenarbeit unzumutbar machen.

Ebenso führt das OLG Hamm (Urteil vom 24.11.2004, Az. 35 U 17/04), auch wenn dem Tenor des Urteils im Übrigen nicht in vollem Umfang zugestimmt werden kann, richtig aus:

„Wird dem Versicherer bezüglich eines Versicherungsvertrages, der von einem seiner Versicherungsvertreter vermittelt wurde und seitdem von diesem betreut wird, ein Maklerauftrag vorgelegt, führt dies allein noch nicht dazu, dass er die fraglichen Verträge fortan der Betreuung durch den Makler überlassen muss. Der Versicherer behält vielmehr weiterhin die Entscheidungsfreiheit darüber, wen er mit der Verwaltung und Betreuung der bestehenden Versicherungsverträge betrauen will, muss dabei allerdings sowohl auf die Interessen des Versicherungsnehmers als auch auf die seines Versicherungsvertreters Rücksicht nehmen. Entscheidet er sich dafür, die Verwaltung und Betreuung nicht dem Makler zu übertragen, sondern weiterhin bei seinem Versicherungsvertreter zu belassen, so hat er jedenfalls dem Wunsch des Kunden dadurch Rechnung zu tragen, dass alle Korrespondenz mit diesem fortan nur noch über den (vom Versicherungsnehmer beauftragten) Makler zu führen ist. Damit akzeptiert der Versicherer den Makler aber nur als Vertreter seines Versicherungsnehmers, ohne ihn gleichzeitig – mit der Folge einer eigenen Courtageverpflichtung – als eigenen Verwalter der betroffenen Versicherungsverträge einzusetzen.“

Diese Rechtslage gilt jedoch auch nach der neuen Fassung des VVG unverändert fort.

Insbesondere hat der Gesetzgeber in § 6 Abs.4 S. 2 VVG deutlich gemacht, dass nach wie vor der Kundenwille entscheidendes Kriterium dafür sein soll, ob dem Versicherer auch während der Vertragslaufzeit Beratungspflichten etc. obliegen. Denn der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

Grundsätzlich kann zwar davon ausgegangen werden, dass in der Vorlage einer neuen Maklervollmacht ein solcher schriftlicher Verzicht des Versicherungsnehmers auf die weitere Beratung durch den Versicherer vorliegt, jedoch besteht hier die Gefahr, dass dies der Forderung „im Einzelfall“ nicht gerecht wird, da eine solche Maklervollmacht in der Regel für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert und somit gerade nicht einzelfallbezogen ist.

Empfehlung für die Praxis:

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, dass der Versicherungsnehmer ein kurzes Schreiben – für jeden einzelnen Versicherungsvertrag bei dem jeweiligen Versicherer – aufsetzt, in dem er einen ausdrücklichen Verzicht auf die Beratung des Versicherers während der Vertragsdauer erklärt.

Spätestens dann darf sich der Versicherer nicht mehr seiner Korrespondenzpflicht entziehen, da infolge des ausdrücklichen Kundenwunsches gemäß § 6 Abs. 4 S. 2 VVG nicht mehr er zur Beratung des Versicherungsnehmers verpflichtet ist, sondern stattdessen der neue, mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattete, Versicherungsmakler.

Hierbei spielt es nach alledem auch keine entscheidende Rolle, ob der ursprüngliche Versicherungsvertrag von einem Vertreter oder von einem Versicherungsmakler vermittelt wurde.

Offen bleibt an dieser Stelle die Frage, ob der neue Makler Anspruch auf die Bestandspflegecourtage hat oder nicht. Hier kommt es wohl auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.

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