IGeL – ein kurzer Leitfaden für Leistungserbringer

IGeL-Leistungen werden vermehrt in deutschen Arztpraxen angeboten, nicht zuletzt deswegen, weil der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung immer stärker reduziert wird.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass viele Ärzte unsicher im Umgang mit den IGeL sind, wobei sich diese Unsicherheiten sowohl auf die formellen Anforderungen an den Arzt bzw. die Vereinbarung, als auch auf die Höhe des zu veranschlagenden Honorars erstrecken.

Dabei gilt es im Folgenden mit zwei regelmäßig auftretenden Fehlvorstellungen seitens der Ärzteschaft aufzuräumen, nämlich dass regelmäßig nur der einfache Gebührensatz gemäß GOÄ abgerechnet werden darf und dass die Abrechnung „runder“ Beträge, von zufälligen Treffern abgesehen, unzulässig ist.

Ziel dieser kurzen Ausarbeitung ist es, dem Leistungserbringer eine Hilfe an die Hand zu geben, anhand derer er entsprechende IGeL-Vereinbarungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und ggf. überarbeiten oder neue Vereinbarungen konzipieren kann.

1. Was darf als IGeL (nicht) angeboten werden?
Zunächst handelt es sich bei den Individuellen Gesundheitsleistungen um Leistungen von medizinischen Leistungserbringern, die nicht vom Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sind. Diese werden stattdessen auf dienst- oder werkvertraglicher Grundlage erbracht und nach der GOÄ oder nach Vereinbarung abgerechnet.

Gebührenrechtlich betrachtet handelt es sich bei IGeL-Leistungen um privatärztliche Leistungen, die – wie es § 1 Abs. 2 GOÄ formuliert – “über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen” und nur dann berechnet werden können, wenn “sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind”. Zu beachten ist also, dass der Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich Anspruch auf Erstattung hätte, wenn die IGeL-Leistung für die Behandlung medizinisch notwendig wäre.

Dabei ist es für die Abrechnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht entscheidend, ob die betreffende Leistung im Gebührenverzeichnis des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes enthalten ist. So entschied beispielsweise das Sozialgericht Dortmund (Urteil vom 21.03.2003 – Az. S 26 KA 37/02) , dass die auf der Basis der GOÄ abgerechneten Kosten für eine medizinisch indizierte Schlafprofilanalyse von der Gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten sind.

Ein Vertragsarzt darf seine in § 28 Abs. 1 SGB V verankerte Verpflichtung, den Patienten mit dem zu versorgen, was nach den “Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist”, nicht zugunsten einer alternativ angebotenen privatärztlichen Behandlung vernachlässigen. Zur Vermeidung von Konflikten mit dem Vertragsarztrecht sollte bei IGeL-Leistungen deshalb stets beachtet werden, dass es sich um Leistungen handelt, die der Versicherte nachfragen muss.

Ein Versicherter, der von seinem Arzt vor die vermeintlich „freie Wahl“ zwischen der Inanspruchnahme einer kostenfreien „Kassenleistung“ und einer Leistung gegen Privatzahlung gestellt wird, wird nach Ansicht des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.03.2001 – Az. B 6 KA 36/00 R) in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Zudem trägt eine solche Offerte des Vertragsarztes die Gefahr einer faktischen Diskriminierung des Versicherten in sich und ist geeignet, das Sachleistungsprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung auszuhöhlen.

Der Leistungserbringer darf somit lediglich über die von ihm angebotenen IGeL-Leistungen informieren.

2. Voraussetzungen an den Inhalt einer IGeL-Vereinbarung

Gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä darf ein Arzt vom Versicherten nur dann eine Vergütung fordern, wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher eine schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde. Mit anderen Worten ist der Leistungserbringer verpflichtet, eine schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten zu schließen, die die folgenden Voraussetzungen erfüllen muss:
eine genaue Beschreibung der medizinischen Leistung(en), die der Patient als IGeL in Anspruch nehmen möchte,
Angaben über das voraussichtliche Gesamthonorar (Kosten für die IGeL) einschließlich der einschlägigen Ziffer(n) der GOÄ nebst Beträgen (Einfachsatz) sowie des Steigerungssatzes,
eine Erklärung des Patienten, dass er der Leistung ausdrücklich zugestimmt hat und darüber aufgeklärt worden ist, dass es sich nicht um eine Leistung seiner Krankenkasse handelt, mit der Folge, dass er die Kosten für die IGeL nicht von der Krankenkasse erstattet erhält.

3. Abrechenbarkeit und Fälligkeit
Entgegen einer weitverbreiteten Fehlansicht darf auch bei IGeL-Leistungen sehr wohl ein höherer als der einfache Satz abgerechnet werden. Gemäß § 5 Abs. 1 GOÄ bemisst sich die Höhe einer einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Soll jedoch der 2,3-fache Satz überschritten werden, ist dies nach § 5 Abs. 2 GOÄ nur zulässig, wenn Besonderheiten, insbesondere Schwierigkeit und Zeitaufwand, dies rechtfertigen. Gemäß § 12 Abs. 3 GOÄ ist dies zu begründen.

Ein Pauschalpreis oder gar ein Erfolgshonorar ist danach nicht zulässig.

Leistungserbringer dürfen jedoch nach § 12 GOÄ nur dann eine Zahlung verlangen, wenn Sie dem Patienten eine Rechnung über die Behandlung gestellt haben. Diese Rechnung muss enthalten:
Bezeichnung der erbrachten Leistung,
Datum der Erbringung,
die einschlägige(n) Ziffer(n) der GOÄ sowie den
Steigerungssatz.

Sollten diese Vorgaben nicht eingehalten sein, wäre die Forderung mangels entsprechender Rechnungsstellung nicht fällig, mit der Folge, dass der Patient nicht zahlen muss.

4. „Runde“ Preise
Danach stellt sich nun aber die Frage, ob wegen des Verbotes von Pauschalpreisen sog. „runde“ Preise ebenfalls verboten sind, da solche zumindest in aller Regel nicht resultieren.

Dabei ist es Geschmackssache, teilweise auch eine Frage der Seriosität und Transparenz oder auch einfach der Praktikabilität, ob ein „unrunder“ Betrag unter Zugrundelegung des 2,3-fachen Steigerungssatzes oder ein „runder“ Betrag unter Zugrundelegung eines anderen, mehrere Kommastellen umfassenden, Steigerungssatzes abgerechnet wird. Beides ist zulässig und lässt sich mit guten Argumenten kommunizieren. Letzteres ist aber entscheidend, um die Seriosität und Transparenz zu wahren.

Gleichwohl bietet die GOÄ Möglichkeiten, dem Patienten dennoch einen „runden“ Preis anzubieten. Der Einfachsatz ergibt sich der GOÄ. Innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens (ärztlich, medizinisch-technisch, Labor) sind die Gebühren unter Beachtung der in § 5 GOÄ genannten Kriterien nach „billigem Ermessen“ zu gestalten. Diese Formulierung bietet die Möglichkeit, den Steigerungssatz so auszuwählen, dass ein glatter Eurobetrag resultiert.

Dies lässt sich am Einfachsten am Beispiel eines Belastungs-EKG darstellen: Nummer 652 GOÄ „Elektrokardiographische Untersuchung unter fortschreibender Registrierung (mindestens neun Ableitungen) in Ruhe und bei physikalisch definierter und reproduzierbarer Belastung (Ergometrie)“ (Einfachsatz = 25,94 €). Würde man hier den 2,3-fachen Steigerungssatz abrechnen, resultierte hieraus ein Honorar in Höhe von 59,66 €.

Unzulässig wäre es wohl, auf einen Teilbetrag zu verzichten, um auf diesem Wege dem Patienten einen „runden“ Preis anbieten zu können. Ebenso wenig anzuraten wäre es, das Honorar auf 60,00 € aufzurunden, da dies wegen Überschreitung des 2,3-fachen Steigerungssatzes eine Begründung erfordern würde.

Multipliziert man hingegen den Einfachsatz mit dem Faktor 2,12028 (billiges Ermessen), so resultiert hieraus das beispielhafte, „runde“ Honorar in Höhe von 55,00 €.

Im umgekehrter Richtung bedeutet dies, dass der „Zielpreis“ durch den Einfachsatz zu dividieren ist, um den entsprechenden Steigerungssatz zu ermitteln, welcher sodann Eingang in die IGeL-Vereinbarung findet.

Da sich in jedem Fall sowohl der Steigerungssatz als auch das Gesamthonorar in der IGeL-Vereinbarung wiederfinden müssen, wird es sich also in den seltensten Fällen vermeiden lassen, irgendeine „unrunde“ Zahl aufnehmen zu müssen. Somit obliegt es also der ureigensten Entscheidung des jeweiligen Leistungserbringers, an welcher Stelle er diese wählt – erläutern sollte er das Honorar und dessen Berechnung im Sinne der Seriosität und Transparenz ohnehin, so dass letztlich möglicherweise doch Praktikabilitätsgründe in den Vordergrund treten könnten.

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